V E R E I N S N A M E N . D E

-  Z e n t r a l s t e l l e   f ü r   d e u t s c h e   F u ß b a l l - V e r e i n s n a m e n  -



Einstieg    • Sammlung Bezeichnungsnamen    • Sammlung Wortnamen    • Vertiefungen
Namentliche Werdegänge    • Zeitgeschehen    • Vereinsnamen-Knigge    • Geschichtswerke



Club vs. Klub    • Phänomen Kleinbuchstaben im Kürzel    • Fusionsergebnisse
Willkür und Schicksal    • Erfinder bzw. Einführer    • Traditionsreichste Namensträger
Beeinflussung der Vereinsfarben    • Namensdarstellung in Wappen    • Hauptanfeuerungsrufe
Formale Zusätze    • Namensverbote    • Spitznamen    • Namenskultur und Volksaustausch




Phänomen Kleinbuchstaben im Kürzel



Rund 1.000 deutsche Fußballvereine nennen sich „TuS“, 500 „SpVgg“, je 400 „VfB“ und „VfL“, 200 „VfR“, 100 „SuS“, zahlreiche weitere TuRa, TuSpo, VfK, VfV, SpV, SpVg, SVgg oder FVgg (alles Stand 2010). Wir stellen fest, daß diese Namen zwar nicht insgesamt herrschend sind, sie gegenüber den standardmäßig aufgebauten Kürzeln aber auf ganzer Fläche gewisse Anteile einheimsten. Was gab den Anlaß dazu, eine Spielvereinigung mit „SpVgg“ statt mit „SV“ abzukürzen, einen Turn- und Sportverein mit „TuS“ statt mit „TSV“, einen Rasensportverein mit „VfR“ statt mit „RSV“? Das Verlangen nach diesen Kürzeln war ja so stark, daß für die Namen in der ausgeschriebenen Fassung absichtlich Erschwernisse in Kauf genommen wurden („-vereinigung“ oder „Verein für“ anstelle von einfach „-verein“).





Schon in der Frühzeit des deutschen Fußballs führten in Berlin - sowie auch in Cottbus - viele Vereine den Namen „TuFC“ (= Thor- und Fußballclub), z.B. die Deutschen Meister und Finalisten TuFC Viktoria 89, TuFC Union 92 und TuFC Britannia 92. Dieses Kürzel entfaltete bei ihnen allerdings keine namentlich-identitäre Wirkung, sondern erfüllte im Schatten der obligatorisch vorhandenen Wortnamen eher die Aufgabe des technischen Hinweises. Bei der „Spielvereinigung im ATV Leipzig“ und dem „Verein für Bewegungsspiele Pankow“ (s. die Unterseite „Erfinder bzw. Einführer“) sah das schon anders aus. Diese Vereine entwickelten erstaunlicherweise solche ausgeschriebenen Fassungen, ohne dafür entsprechende Kurzformen im Visier gehabt zu haben. Daß daraus so schmucke Kürzel zu gewinnen waren, entdeckte man allem Anschein nach erst im Nachhinein. Als dann aber „SpVgg“, „VfB“ und Kameraden fest auf den Beinen standen, konnte ihren Feldzug bis in Deutschlands hinterste Winkel niemand aufhalten. Von da an übernahmen andere Vereine die fertigen Produkte, weil die Kürzel mit den Kleinbuchstaben gefielen. Mit Feingefühl für das Schriftbild erkennt man auch, daß sie vor fast jedem Ortsnamen wie angegossen sitzen, oft merklich besser als die rein groß­buchstabigen.


Einst sprangen die ästhetischen Vorzüge sogar noch weitaus deutlicher ins Auge, gingen sie gar regelrecht in handfeste praktische Vorteile über. Bis zum Verbot durch Hitler im Jahr 1941 wurde bei uns in der Deutschen Schrift geschrieben. Das Deutsche als einzige Sprache mit Großschreibung der Hauptwörter hat seine Schrift daher genau auf das Zusammenspiel zwischen Groß- und Kleinbuchstaben hin ausgerichtet. Abkürzungen müssen wohl eine sprachlich neumodische Erscheinung sein, jedenfalls sah man nie eine Notwendigkeit, Großbuchstaben untereinander ins Verhältnis zu setzen. Wenn auch die Lateinische Schrift zunehmend Bedeutung erlangte und mit der Deutschen Schrift dann eine Koexistenz führte, bestanden die Texte der Tageszeitungen weiterhin aus letzterer. Und darin waren die geradewegs aufgebauten Kürzel folglich nur mit Mühe zu entziffern, vom verwilderten Schriftbild der Vereinsnamen ganz zu schweigen. Getrennt durch einen Kleinbuchstaben, löste sich das Problem sofort in Luft auf. Selbst bei „FVgg“ oder „SVgg“ trugen die nur angehängten Kleinbuchstaben noch entscheidend zur Leserlichkeit bei. Nicht zufällig gehören Wappen, die in Deutscher Schrift gestaltet sind, fast immer zu Vereinen mit Kleinbuchstaben im Kürzel (Beispiele VfB Stuttgart, VfB Lübeck, VfL Halle 96). Die folgende Tafel zeigt die Gegenspieler SV - SpVgg, TSV - TuS, RSV - VfR im direkten Vergleich. Mit der von 1921 bis 1971 erschienenen Zeitschrift „Der Turn- und Sportwart“ dürfte der Vereinsname TuS unübersehbar auch in Wechselwirkung gestanden haben.


   



Unter Kürzeln mit Kleinbuchstaben kommen außerdem auch Besonderheiten in der Aussprache vor. TuS/TuSpo/TuRa/SuS sind Akronyme wie Adidas oder Haribo, d. h. die Abkürzung wird wie ein richtiges Wort gesprochen. Selbiges trifft ansonsten nur noch auf „Raspo“ und auf örtliche Einzelfälle zu, die ebenfalls einen Vokal enthalten (z.B. Linzer ASK = „Lask“). SpVgg/SpVg/SpV/FVgg andererseits spricht man immer mit dem ausge­schriebenen Namen als „Spielverein(igung)“/„Sportverein(igung)“ bzw. „Fußballvereinigung“. Mit „Sport­freunden“, die als „Spfr.“, „SF“ oder sonstwie abgekürzt sind, wird in der Regel ebenso verfahren; „Spfr.“ ist übrigens ein weiteres Kürzel mit Klein­buchstaben. Da also das Kürzel in der ausgeschriebenen Fassung gesprochen wird, dient es einzig der Verkürzung des Schriftzuges. Zur Verkürzung der Aussprache wäre „SpVgg“ eh nicht geeignet, denn auch als Abkürzung gesprochen würde gegenüber „Spielvereinigung“ keine Silbe eingespart (was nebenbei bemerkt bei „Sportclub“ nicht anders ist). Letztlich sitzen TuS und SpVgg im gleichen Boot: In den mündlichen Sprach­gebrauch fügt man sich weder mit Einsilbrigkeit noch mit Fünfsilbrigkeit geschickt ein, s. Unterseite „Hauptanfeuerungsrufe“.


Was die TuS/TuSpo/TuRa/SuS-Gruppe zum anderen mit der VfB/VfL/VfR/VfV/VfK-Gruppe gemeinsam hat, ist die äußerst strenge Zwangspositionierung ganz vorne im Vereinsnamen. Lediglich aus dem Rheinland sind extrem wenige Ausreißer notiert (Velberter TuS +, Polcher TuS 1888 +, Uedemer TuS *; Düsseldorfer CfR, Kölner CfR +, Frechener KfR +). Bei der SpVgg/SpVg/SpV/FVgg-Gruppe beschränkt sich die automatische Frontstellung auf den Hauptvertreter SpVgg, mit den unvermeidlichen Gegenbeispielen diesmal vor allem aus dem hohen Norden (Flensburger SpVgg 08, Eutiner SpVgg 08, Groß Flottbeker SpVgg). Von den häufigeren Namen fallen VfB, VfL und VfR ansonsten durch ihr einzel­gängerisches Verbreitungsmuster auf. Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit sind sie in den Kreisverbänden mit einigen wenigen Exemplaren vertreten, wohingegen TuS und SpVgg eher in größeren Mengen oder gar nicht vorkommen.




„VfL“ ist bis heute der einzige Vereinsname mit dem deutschen Begriff „Leibesübung“ statt „Sport“ ge­blieben. Dabei war dieses Wort nachweislich schon im Voraus bekannt gewesen. Junge adlige Männer hatten seit dem 16. Jahr­hundert auf Ritter-Akademien derart benannten Unterricht im Reiten, Fechten, Tanzen, Schwimmen und Ringen erhalten. Der Eintrag „Leibesübung“ fehlt auch nicht im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm. Nur sah man lange Zeit keine Möglichkeit, das Wort in Vereinsnamen einzubauen. Ein „Leibesübungsverein (LÜV?)“ hätte ja fürwahr um Mitleid gebuhlt. Erst durch die Einführung von Kleinbuchstaben im Kürzel und die Vorweg­nahme des Grundworts wurde eine elegante Lösung gefunden. Bei dem besonders großen Ansporn zur Geburt dieses Namens könnte man erwarten, daß VfL der Vorreiter aller vereinsnamentlichen Kreativität gewesen sei. Gemäß Unterseite „Erfinder bzw. Einführer“ bildete er jedoch sogar die Nachhut. Die Turner waren schon das ganze 19. Jahrhundert hindurch kläglich an dieser Aufgabe gescheitert.